Ein nahezu gewaltiger Investitionsrückstand der öffentlichen Hand rückt die Nachfrage nach alternativen Beschaffungsvarianten sowie integrierten Organisationsmodellen für Bauvorhaben in den Fokus. Zudem schlägt sich bei der öffentlichen Hand eine immer stärker zutage tretende strukturelle Personal- und Ressourcenknappheit nieder, ebenso wie gewandelte Anforderungen und das Management von – zunehmend komplexeren – Bauvorhaben.
Die Erhebung im jüngsten KfW-Kommunalpanel zum kommunalen Investitionsrückstand verdeutlicht die größten Investitionslücken und -mängel der öffentlichen Hand bei Straßen, Schulen und Verwaltungsgebäuden. Sollten die Kommunen dieser gravierenden Tendenz nichts entgegensetzen können und die (Steuer-) Einnahmen weiterhin deutlich geringer ausfallen, werden die Mehrheit dieser Kommunen, ungeachtet ihrer individuellen Schwerpunktsetzung, die Investitionen drastisch reduziert müssen.
Wahrgenommener Investitionsrückstand der Kommunen, Quelle : KfW-Kommunalpanel 2021
Gerade vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit alternative Vertragsmodelle in der kommunalen Beschaffung einzusetzen. Oftmals bestehen jedoch auf Seiten der öffentlichen Hand noch Vorbehalte dahingehend, dass eine kombinierte Planungs- und Bauvergabe sowie partnerschaftliche Modelle nach vergaberechtlichen Vorschriften kaum zu rechtfertigen seien. Es lohnt also ein Blick über den Tellerrand.
Konventionelle Beschaffungsvariante
Konventionelle Beschaffungsvarianten stellen den klassischen Beschaffungsvorgang der öffentlichen Hand dar. Derlei Beschaffungsvarianten zeichnen sich vornehmlich durch ein desintegriertes Organisationsmodell aus, welches eine vertragliche Trennung von Planung und Bauausführung vorsieht. Allen desintegrierten Modellen ist gemein, dass der öffentliche Auftraggeber als Bauherr auftritt und damit umfangreiche Aufgaben- und Risikobereich übernimmt. In der Konsequenz obliegt ihm auch an der Schnittstelle zwischen Planung und Bau die Verantwortung für die Steuerungs- und Koordinationsaufgaben.
Die Vertragsverhältnisse werden dabei direkt zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den beteiligten Unternehmen geschlossen. In der Folge liegen sowohl Verantwortung für das Gesamtvorhaben sowie das Schnittstellenrisiko bei der öffentlichen Hand.
Derlei Beschaffungsmodell kann zugutegehalten werden, dass es langjährig erprobt ist und somit langjährige Erfahrung in der Steuerung des Vertragsverhältnisses besteht.
Alternative Beschaffungsvariante
Alternative Beschaffungsvarianten zielen dahingegen auf eine weitergefasste vertraglich geregelte (partnerschaftliche) Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und planenden bzw. bauausführenden Akteuren. Derartigen Vertragsmodellen liegt der Gedanke zugrunde, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlichen Ressourcen (z.B. Know-how, Betriebsmittel, Personal, Kapital, etc.) in einen gemeinsamen Organisationszusammenhang einzustellen und somit zugleich vorhandene Projektrisiken entsprechend der Risikomanagementkompetenz der Projektpartner aufzuteilen. Die Ausgestaltung findet sich oftmals in einem integrierten Organisationsmodell wieder, welche vornehmlich darauf abzielt, die Bauausführungsaufgaben vertraglich mit gewissen Planungsaufgaben zu verknüpfen. Charakteristisch dabei ist das Ermöglichen einer baubegleitenden Planung, wodurch sich die vertragliche Schnittstelle zwischen Planung und Bauausführung verschiebt oder gar gänzlich entfällt.
Alternative Beschaffungsvarianten zeichnen sich zudem dadurch aus, dass die öffentliche Hand sich weitestgehend darauf beschränkt zu formulieren, was ihre Beschaffungserwartung ist, anstatt dezidiert vorzugeben, wie eine Beschaffungsanforderung zu realisieren ist. Grundlage dafür bildet eine funktionale, ergebnisorientierte und somit „outputorientierte“ Leistungsbeschreibung. Dies ermöglicht den Projektpartnern Spielraum für Kreativität und Entscheidungen über eine effiziente Ergebnisherbeiführung. Indem die öffentliche Hand frühzeitig operative Gesamtkompetenz in Vorhaben einbindet, um von Wissens- und Erfahrungsbausteinen zu profitieren, schafft sie Mehrwert und legt den Grundstein für den Projekterfolg. Schwerpunkte können dabei neben der Anwendung partnerschaftlicher Modelle und kollaborativer Ansätze zudem auch Multiprojektmanagement, Stakeholdermanagement sowie Risikomanagement bilden.
Auch wenn Bauherrenaufgaben im Rahmen von alternativen Beschaffungsvarianten weitestgehend auf Partner delegiert werden können, bleibt die Bedarfsermittlung letztlich in der Verantwortung der öffentlichen Hand. Es unterliegt auch bei outputorientierten Ausschreibungen dem öffentlichen Auftraggeber den Beschaffungsbedarf mit größtmöglicher Bestimmtheit darzustellen. Im Vergleich zu konventionellen Beschaffungsmodellen erfordern alternative Varianten sogar zwingend vor Durchführung der Ausschreibung sämtliche Nutzeranforderungen vollständig zu erfassen und darzulegen. Nur so lassen sich Zusatzkosten während der Bauphase infolge von Änderungen weitestgehend vermeiden.
Die Realisierung alternativer Beschaffungsvarianten durch den öffentlichen Auftraggeber bedingt die Prüfung einer Reihe von Aspekten, deren Spezifika in der Natur der öffentlichen Hand zu finden sind. Wesentliches Augenmerk sollte bei der Ausschreibung alternativer Vertragsmodelle daher auf bestimmte Kriterien gelegt werden :
- Funktionalität der Gebäudeplanung
- Flexibilität von Gebäudeplanung und Raumgestaltung
- Qualität des Gebäudebetriebskonzeptes
- Teamfähigkeit der Projektbeteiligten
- Rechtssicherheit im Vergabe- und Vertragsrecht
Obgleich es bei der verstärkten Implementierung partnerschaftlicher Strukturen im Rahmen der Planungs- und Bauabwicklung der öffentlichen Hand durchaus Grenzen zu berücksichtigen gilt, birgt die Ausweitung kombinierter Planungs- und Bauvergaben die Voraussetzung und Chance für eine Trendwende bei den Investitionen in die öffentliche Infrastruktur.
Einzigartigkeit entsteht nur intern und kann nicht am Markt erkauft werden !
Erfolgsgarant ist und bleibt jedoch auch bei alternativen Beschaffungsvarianten der Mensch. Nur mit ausreichend qualifiziertem Personal auf Seiten des öffentlichen Bauherrn lassen sich neue Wege im öffentlichen Bauen erfolgreich beschreiten.
Im Rahmen einer Organisationsberatung gilt es anspruchsvolle methodische Konzepte für die Projekt- und Portfolioabwicklung für den öffentlichen Auftraggeber zu entwickeln. Der Blick muss dabei auf die Strukturen der Aufbau- und Ablauforganisation der öffentlichen Hand erweitert werden.
Als Ihr Experte unterstützen wir Sie auch in diesem Bereich durch unseren erfahrenen Gesamtblick.
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